Der Leitwert – nützlich und überschätzt zugleich 2


Ein Widerspruch schon in der Überschrift? Ja, denn der Leitwert ist grundsätzlich für den Aquarianer erst einmal nutzlos, da er für sich genommen keinerlei Aussagekraft hat.
Im Verlauf des Artikels werden wir lernen, wie der Aquarianer den Leitwert dennoch zu seinem Nutzen einsetzen kann, um sich die Arbeit zu erleichtern und wo die Grenzen der Leitwertnutzung liegen.

Zunächst einmal ist der Begriff „Leitwert“ nicht korrekt. Die richtige Bezeichnung lautet Leitfähigkeit. In der Aquaristik wird allerdings der Begriff Leitwert wesentlich häufiger verwendet. An Diskussionen um korrekte Begrifflichkeiten möchte ich mich nicht beteiligen, weshalb ich mit beiden Begriffen leben kann und auch beide verwende. In diesem Artikel werde ich dennoch den korrekten Begriff Leitfähigkeit verwenden.

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Inhalt

Was ist die Leitfähigkeit?
Wie wird die Leitfähigkeit gemessen?
Was sagt mir dieser Wert?
Wovon wird die Leitfähigkeit beeinflusst?
Wo liegt der Nutzen der Leitfähigkeitsmessung für den Aquarianer?
Wasseraufbereitung
Kontrolle der Osmoseanlage bzw. des Vollentsalzers
Indikator für Probleme im Aquarium
Indikator für Wasserwechsel
Womit kann man die Leitfähigkeit bestimmen?

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Was ist die Leitfähigkeit?

Die Leitfähigkeit gibt die Fähigkeit eines Stoffes an, elektrischen Strom zu leiten. Die Maßeinheit ist S/m (Siemens pro meter). In der Aquaristik werden üblicherweise die Maßeinheiten µS/cm (Süßwasser) oder mS/cm (Meerwasser) verwendet. (Der Zusatz „/cm“ wird in der Praxis meist weggelassen.)
Kleiner Tipp: das µ-Zeichen schreibt man mit Alt Gr+M

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Wie wird die Leitfähigkeit gemessen?

Ein Leitfähigkeitsmesser besitzt in der Regel 2 Elektroden mit fest definierter Größe und Abstand. An diese Elektroden wird ein Wechselstrom angelegt und der Widerstand der Flüssigkeit zwischen den beiden Elektroden gemessen. Dieser wird dann umgerechnet und es ergibt sich die Leitfähigkeit.

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Was sagt mir dieser Wert?

Da haben wir auch schon Hauptproblem der Leitfähigkeit. Für sich genommen kann ich mit dem Wert nichts anfangen. Sie gibt lediglich einen Summenwert wieder, der durch alle gelösten Stoffe hervorgerufen wird. Zu Art und Zusammensetzung dieser Stoffe können keine Rückschlüsse gezogen werden. Ich kann zwei Wasser haben, die beide exakt die gleiche Leitfähigkeit haben und dennoch chemisch absolut unterschiedlich sind und damit auch unterschiedlich für meine Bedürfnisse geeignet.

Beispiel: Mein Leitungswasser hat eine Leitfähigkeit von 475µS/cm. Damit war mir eine erfolgreiche Haltung und Zucht von Bienengarnelen nicht möglich. Bei der Verwendung von Osmosewasser mit bestimmten Aufhärtesalzen kann ich ein Wasser mit der gleichen Leitfähigkeit herstellen, welches die erfolgreiche Zucht und Haltung der Bienengarnele bei mir ermöglicht.

Entscheidend ist also nicht die Leitfähigkeit an sich, sondern welche Stoffe sich im Wasser befinden.

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Wovon wird die Leitfähigkeit beeinflusst?

Tabelle_StoffeGrundsätzlich kann man sagen, dass Salze, Säuren und Basen die Leitfähigkeit von Wasser beeinflussen. In Wasser gelöst setzen diese Stoffe freibewegliche Ionen frei. Diese Ionen sorgen für eine erhöhte Leitfähigkeit.

Da unterschiedliche Stoffe auch unterschiedliche Ioneneigenschaften besitzen, haben sie auch unterschiedliche Leitfähigkeiten.

Ein zweiter wichtiger Faktor ist die Temperatur. Je höher diese liegt, umso mehr steigt die Anzahl und Beweglichkeit der Ionen. Dadurch steigt die Leitfähigkeit. Zur Ermittlung des genauen Wertes muss man wissen, auf welche Temperatur das Gerät geeicht wurde. Meist sind das 25°C.
Die Abweichung beträgt etwa 2% pro 1°C.

Beispiel: wenn ich in 20°C warmem Wasser eine Leitfähigkeit von 200µS messe, dann beträgt die Abweichung 5°C und damit 10%. Der tatsächliche Leitwert beträgt damit etwa 220µS.

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Wo liegt der Nutzen der Leitfähigkeitsmessung für den Aquarianer?

Der Nutzen der Leitfähigkeit liegt in der einfachen Messmethode zur Bestimmung dieses Wertes. Während die meisten anderen Stoffe relativ kompliziert mittels Tröpfchen oder Streifentests gemessen werden, genügt ein einfaches Messgerät zur schnellen Bestimmung der Leitfähigkeit. Da bis auf die Batterien des Messgerätes keine Messmittel verbraucht werden, können auf längere Sicht Kosten und Zeit gespart werden.

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Wasseraufbereitung

Wenn zusätzlich zur Leitfähigkeit weitere Größen bekannt sind, kann ich die Leitfähigkeit zur Herstellung eines speziell definierten Wassers für meine Aquarien nutzen.

In der Wasseraufbereitung werden in der Regel ein entsalztes Wasser (sehr geringe Leitfähigkeit) und spezielle Aufhärtesalze verwendet. Die Eckdaten der meisten Salze sind bekannt bzw. können relativ einfach ausgemessen werden.

Beispiel: Für das häufig verwendete Salty Shrimp Bee Shrimp Mineral GH+ habe ich eine Testreihe gemacht, um genau herauszufinden, wie das Verhältnis Leitfähigkeit zur Gh ist. Die KH habe ich nicht gemessen, da sie durch das Salz nur minimal beeinflusst wird.
Dazu habe ich mein Osmosewasser auf bestimmte Leitfähigkeiten aufgehärtet und dann die Gh gemessen. Für eigene Versuche mit anderen Mitteln sind derartig viele Meßpunkte nicht nötig. Die beiden äußeren Werte und 1-2 Werte dazwischen sorgen für eine ausreichende Genauigkeit.

Bee_Salz

Wie man erkennt besitzt dieses Salz (gelöst) pro °dGh (Grad deutsche Gesamthärte) eine Leitfähigkeit von ca. 40µS/cm.
Mit diesem Wissen kann ich entsalztes Wasser aufhärten und mittels Leitfähigkeitsmesser einfach und unkompliziert kontrollieren.

Beispiel: Ich härte mein Wasser auf z.B. 200µS/cm auf und weiß, dass die Gh dann bei 5 liegt. Damit habe ich ein ideales Wasser für die Haltung und Zucht von Tieren, die weiches Wasser mit wenig KH benötigen.

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Kontrolle der Osmoseanlage bzw. des Vollentsalzers

Ein Indiz für eine nicht mehr funktionstüchtige Membran einer Umkehrosmoseanlage kann eine steigende Leitfähigkeit des Osmosewassers sein. Sollte die Leitfähigkeit des Reinwassers über einen bestimmten Wert steigen, empfiehlt es sich die Membran zu tauschen. Dieser Schwellwert ist bei jedem individuell verschieden.

Beim Vollentsalzer zeigt eine steigende Leitfähigkeit an, dass die Austauscherkapazität der Harze erschöpft ist und diese regeneriert bzw. ausgetauscht werden müssen.

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Indikator für Probleme im Aquarium

Auch wenn die Leitfähigkeit an sich relativ wenig Aussagekraft hat, so kann sie doch als Indikator für Probleme im Aquarium dienen. Größere Differenzen zu Ausgangswasser (Wechselwasser) bzw. starke Leitwertveränderungen im Aquarium in relativ kurzer Zeit können uns einen Hinweis liefern, dass irgendetwas im Aquarium nicht stimmt.

So könnte z.B. ein schneller Anstieg der Leitfähigkeit auf aufhärtende Steine oder Bodengrund hinweisen. Ebenso könnten Abbauprozesse gestört sein. Wobei man das sicher auch schon früher durch Beobachtung der Tiere und Pflanzen im Aquarium erkennen kann.

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Indikator für Wasserwechsel

Eingeschränkt kann man die Leitfähigkeit auch als Kontrollwert für notwendige Pflegemaßnahmen wie z.B. Wasserwechsel nutzen. Alles, was wir ins Aquarium geben wird unseren Leitwert steigen lassen. So auch Dünger bzw. Futter. Übersteigt die Leitfähigkeit eine gewisse Toleranzschwelle, so ist ein ausreichend großer Wasserwechsel nötig. Meist werden in der Praxis 10-20% Abweichung vom Frischwasser genommen.

Wie eingangs erwähnt, ist dieser Indikator in der Praxis nicht uneingeschränkt anwendbar. Es finden in Aquarien auch Prozesse statt, die unsere Leitfähigkeit sinken lassen. So verbrauchen Pflanzen z.B. Nährstoffe und dieser Verbrauch lässt die Leitfähigkeit sinken.
Filterprozesse können die Leitfähigkeit ebenfalls senken.
Auch unsere beliebten aktiven Bodengründe (Soil) beeinflussen durch ihre Ionentauscherfähigkeit die Leitfähigkeit.

In jedem Fall sollte man sein Aquarium individuell beobachten und kennenlernen, um zu sehen, ob dieser Indikator in der Praxis anwendbar ist. Eine generelle Aussage ist aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten nicht machbar.

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Womit kann man die Leitfähigkeit bestimmen?

Ideal ist die Bestimmung mit einem speziellen Leitfähigkeitsmesser (engl. EC-Meter).
Der Messbereich sollte für unsere Süßwassergarnelen bei 0-1999µS liegen. Eine automatische Temperaturkompensation (engl. ATC) ist sehr hilfreich und bei den meisten Geräten heutzutage verfügbar. Dadurch entfällt das Umrechnen der Leitfähigkeit mit Hilfe von Tabellen.

Es kann auch ein sogenanntes TDS-Meter zur Bestimmung der Leitfähigkeit herangezogen werden. TDS steht für total dissolved Solids (gesamt gelöste Feststoffe). Hintergrund ist der, dass sich TDS und Leitfähigkeit direkt proportional zueinander verhalten. Allerdings kann man die TDS nicht direkt mittels einfacher Messgeräte ermitteln. In der Praxis sind TDS-Meter normale Leitfähigkeitsmesser, die mittels eines bestimmten Faktors die Leitfähigkeit in die TDS umrechnen und als ppm (parts per million) anzeigen.

Eine Möglichkeit zur Bestimmung des Faktors wäre eine Vergleichsmessung mit einem Besitzer eines Leitfähigkeitsmessers. Wenn man den Faktor, der vom Gerät benutzt wird, kennt, dann kann man die Anzeige relativ einfach umrechnen. Die meisten Messgeräte benutzen den Faktor 2.

Dies zeigt uns aber, dass die gängigen Umrechnungen TDS/Leitfähigkeit nicht funktionieren. Hinzu kommt, dass der reale Umrechenfaktor TDS zu Leitfähigkeit wieder vom verwendeten Salzt abhängt und daher die Messung der TDS nur einen groben Anhalt geben kann.
Uns interessiert aber sowieso mehr der Leitwert, welcher ja korrekt gemessen wird.

Da Leitfähigkeitsmesser und TDS-Meter sich mittlerweile preislich im gleichen Rahmen bewegen, sollten wir der Einfachheit halber gleich einen Leitfähigkeitsmesser kaufen.

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2 Gedanken zu “Der Leitwert – nützlich und überschätzt zugleich

  • Peter Jäkel

    Ich habe von meiner Tochter für mein Aquarium ein TDS-Wassertestgerät bekommen. Ich konnte zunächst aber nichts damit anfangen. Ich habe dann meinen Ph- und KH-Wert gemessen und dann mit dem TDS Gerät. Somit habe ich einen guten Vergleichswert (ca. 220ppm) für die Kontrolle und für Wasserwechsel erhalten. Ich habe mein Osmosewasser zuerst mit im Handel erhältlichen Salzen aufgehärtet. Jetzt mache ich das mit Leitungswasser und es funktioniert gut.
    Jetzt mache ich das mit Leitungswasser und es funktioniert gut.
    In einer Vergleichstabelle habe ich gesehen, dass 200ppmTDS etwa 330microS/cm entsprechen.

    • Kay Mühl Autor des Beitrags

      Hallo Peter,

      Ich hab keine Ahnung, worauf sich derartige Daten stützen. Wie im Artikel beschrieben, ist eine pauschale Umrechnung oder Tabelle gar nicht möglich. Unter bestimmten Vorraussetzungen kann man derartige Tabellen oder Formeln erstellen. Allerdings sollte man dann auch das Salz als Referenz nennen.
      Ich könnte es mir für Meerwasseraquaristik vorstellen, da dort die Salze und die entsprechenden Mengen annähernd bekannt sind. Dort bestehen Salze zum größten Teil aus Natriumchlorid (Kochsalz), welches die Leitfähigkeit so stark erhöht, dass andere Salze bzw. Spuren davon, zu vernachlässigen sind. Allerdings ist das nur eine Vermutung…
      Auch bei der Verwendung von Leitungswasser kann ein TDS/Leitfähigkeitsmesser, wie von Dir beschrieben, gute Dienste zur schnellen Kontrolle leisten.